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Gesundheitsversorgung länderübergreifend mit Daten und klinischer Forschung verbessern

02.07.2024 16:10
Während der COVID-19-Pandemie hat Israel beispielhaft gezeigt, wie die Erhebung von Patientendaten die Forschung zur Prävention von Infekten und die Entwicklung von Therapien voranbringen kann. Seitdem kooperieren die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die größte israelische Gesundheitsorganisation mit dem Ziel, die israelische Expertise bei der Nutzung von „Big Data“ mit innovativen biomedizinischen Forschungsansätzen von Charité-Wissenschaftlern zu kombinieren. Im Rahmen dieser Kooperation hat eines der ersten gemeinsamen Projekte nun eine EU-Finanzierung erhalten.

Seit 2022 arbeiten die Charité und Clalit Health Services in einer strategischen wissenschaftlichen Partnerschaft zusammen. „Auf den ersten Blick sind die Charité als eine der größten Universitätskliniken Europas und Clalit, eine Health Management Organisation, sehr verschieden. Doch genau das macht den Reiz und das Potenzial dieser Partnerschaft aus“, erklärt Prof. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité. Er ergänzt: „Clalits besondere Stärke liegt in der hervorragenden digitalen Infrastruktur und der Fähigkeit, Innovationen wie beispielsweise KI-getriebene Versorgungsplattformen großflächig in die Praxis umzusetzen.“ Clalit Health Services betreibt als größte staatliche Gesundheitsorganisation Israels ein Netzwerk von 14 Krankenhäusern und mehr als 1.300 Primärversorgungskliniken, Apotheken sowie Zahnkliniken und versorgt rund fünf Millionen Mitglieder. Mit ihrem Innovationshub Clalit Innovation fördert sie Forschung und Entwicklung.

Initiiert wurde die wissenschaftliche Zusammenarbeit bei einem ersten Workshop im Jahr 2022 durch die Charité-Wissenschaftler Prof. Friedemann Paul, Leiter des Experimental and Clinical, Research Center (ECRC), und Prof. Leif Erik Sander, Direktor der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin. Bei diesem Treffen haben sich zehn deutsch-israelische Tandems von interdisziplinären Forschungsgruppen in den Bereichen KI und Gesundheitsdaten, Immunologie und Infektiologie sowie Onkologie und Kardiologie gebildet. Im Juni dieses Jahres fand nun ein zweites Follow-up Meeting an der Charité statt: Israelische und Berliner Wissenschaftler:innen haben in mehr als 40 Vorträgen Ergebnisse und Pläne zu laufenden gemeinsamen Projekten vorgestellt sowie in Workshops neue Projektgruppen in den Feldern Frauengesundheit und Mentale Gesundheit gebildet.

Prof. Joachim Spranger, Dekan der Charité, äußerte sich erfreut bei der Eröffnung der Veranstaltung: „Die Zusammenarbeit mit Clalit bietet einzigartige Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenanalyse und von KI-Lösungen. Die Verarbeitung und Nutzung solch hochwertiger Gesundheitsdaten ermöglichen es, Krankheitsverläufe und Behandlungsergebnisse besser vorherzusagen, bisher unbekannte Krankheitsmuster zu identifizieren und Patienten letztlich frühzeitig passende diagnostische und therapeutische Maßnahmen anbieten zu können.“

EU fördert deutsch-israelisches Forschungsprojekt

Beispielhaft für die zukunftsorientierte Zusammenarbeit ist das Projekt EXPLORE-NB von PD Dr. Hedwig Deubzer, Oberärztin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité, das vor Kurzem von der Europäischen Union im HORIZON 2020 Programm ERA-NET aufgenommen und eine Förderung von rund 939.000 Euro erhalten hat. Gemeinsam mit den israelischen Kollegen Dr. Esther Berko, Dr. Assaf Grunwald und Dr. Nurit Gal Mark sowie weiteren europäischen Partnern beschäftigt sie sich in den nächsten drei Jahren intensiv mit der Frage, ob molekulare Marker solider Tumore bei Kindern, wie dem Neuroblastom, auch in den sogenannten Bioflüssigkeiten und damit weniger invasiv identifiziert werden können. Zu den Bioflüssigkeiten gehören Blut, Knochenmark, Urin und Liquor. Liquid Biopsies sind minimal- bis nicht-invasiv, gering risikobehaftet und somit seriell durchführbar.

Dr. Deubzer betont: „Unsere Hypothese ist, dass wir das Therapieansprechen mit Liquid Biopsies überwachen können sowie das Entstehen von Therapieresistenz frühzeitig entdecken und verstehen können. In EXPLORE-NB werden wir uns dabei auf die epigenetischen Veränderungen konzentrieren. Unsere Kooperation lebt von dem Forschungsziel, die Heilungschancen zu erhöhen und die Gesundheits-Überwachung nach einer kindlichen Krebserkrankung zu verbessern. Gemeinsam möchten wir daher in der weiteren Perspektive die Bedeutung der EXPLORE-NB Forschungsdaten in einer klinischen Studie prüfen.“

Enge Kooperation trotz Herausforderungen

Wie eng die Kooperation nach zwei Jahren, trotz Pandemie und Krieg im Nahen Osten ist, zeigt auch das von der Stiftung Charité geförderte Visiting Fellowship für Prof. Ran Balicer. Der israelische Mediziner und Public-Health-Experte wird im Rahmen des Fellowship-Programms in den nächsten drei Jahren eine Arbeitsgruppe an der Charité aufbauen und auch darüber die Kooperation der beiden Institutionen weiter fördern. „Wir finden, dass diese laufende Zusammenarbeit zwischen der Charité und Clalit von höchstem wissenschaftlichem Anspruch und potenziell klinischer Wirksamkeit ist. Die Möglichkeit, dass hochkarätige Kliniker:innen und Forscher:innen auf beiden Seiten die unvergleichlichen Datenressourcen von Clalit nutzen können, hat einen starken Synergieeffekt, der bahnbrechende Forschung in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen ermöglicht“, sagt Prof. Ran Balicer, Chief Innovation Officer von Clalit, und fügt hinzu: „Wir sind erfreut über den Beginn einer neuen Reihe von Kooperationen in dieser Woche und sind sicher, dass diese die positiven Auswirkungen dieser Forschung auf das Leben und das Wohlergehen von Patient:innen weiter steigern werden – in Deutschland, in Israel und weltweit.“


Über Clalit Health Services

Clalit ist Teil des israelischen integrierten Gesundheitssystems, bei dem rund 52 Prozent der etwa 10 Millionen Einwohner:innen Mitglied sind. Es ist gemeinnützig und integriert die Primär-, Facharzt- und Krankenhausversorgung. Mit 14 Krankenhäusern stellt Clalit rund 30 Prozent der stationären Betten in Israel. Von den 48.000 Beschäftigten sind 11.000 Ärztinnen und Ärzte sowie 15.000 Pflegekräfte. Das Jahresbudget beträgt 13,5 Milliarden Dollar.